Einen Raum schaffen, um den anderen willkommen zu heißen...

Veröffentlicht auf von P. Roger Robert

Die Ereignisse, die im Leben von Jesus Christus geschehen sind, sind auch die Ereignisse unseres Lebens. Er durchlebte alles aus unserer Existenz, aus unserem menschlichen Wesen mit allem, was darin lebt, einschließlich des Todes und aller Formen des Sterbens, bevor wir endgültig sterben. Unser Leben ist durchzogen von Momenten, in denen Dinge entstehen und dann wieder zusammenbrechen, bis es zu jenem Zusammenbruch kommt, der der Tod ist, wenn das Schicksal eines jeden Menschen schließlich als ein Horizont erscheint, der sich schließt. Es gibt ein Vorher und ein Hinterher, von dem man nichts weiß...

Das Schicksal, das Leben von Jesus Christus, ist gewissermaßen das Filigran, der Bauplan eines jeden Lebens, und er hat das Schicksal eines jeden von uns in sich aufgenommen. Durch seinen Tod nahm er alle Formen des Todes auf sich, einschließlich des letzten Ereignisses unseres Lebens, und er bleibt nicht darin eingeschlossen, er ist aus dem Grab herausgekommen. "So werden auch wir", sagt der heilige Paulus, "in dem Tod Jesu Christi hineingenommen, um mit ihm aufzuerstehen." (Römer 6:4). Was man als Ende glaubt, ist nicht das Ende, es entspricht nicht diesem Begriff. Verstehen Sie, dass unser Leben keine Sackgasse ist? Dass nicht alles in einem Loch endet? So wie der große Stein, der das Grab Jesu verschloss, endgültig weggerollt wurde, so gibt es auch für uns keinen verschlossenen Horizont: Es gibt das Leben Jesu Christi, weil er uns liebt und weil er uns in seiner Liebe nur alles von sich geben kann. Sein Leben nimmt unsere Toten und führt uns in die Kraft seiner Auferweckung. "Jesus ist, wie auch Paulus sagte, der Erstgeborene von den Toten." (Kolosser 1)

Heute, in dieser Fastenzeit, 40 Tage vor Ostern, sagt die Kirche zu uns: Schaut genau hin, denn wir leben oft in einem Zustand der Übersättigung. Vereinnahmt von allem, was man zu tun hat, von allem, was man tut, von allem, was man erwünscht. Und es ist, als ob man in diesem Moment das Gefühl für die Quelle verliert, die in uns ist, die Quelle dieses Lebens, das der Tod nicht beendet. Das ist das Leben für uns. Es ist für uns, dass ER gestorben ist. ER ist für uns auferstanden, um uns mitzunehmen, damit dieses Leben, das seins ist, unseres wird. Der Horizont öffnet sich...

Dann wurden in dieser Fastenzeit alte Zeichen wie das Fasten wieder aufgegriffen... Schon im Deuteronomium hieß es: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein" (Dtn 8,3) und von allem, was er sich einverleiben kann. Wir leben nicht nur von materieller Nahrung, sondern wir leben auch vom Wort Gottes, wir leben, indem wir das Leben eines anderen willkommen heißen, in jedem Augenblick. In diesem Sinne wurde also ein gewisser Nahrungsentzug gelebt, um zu verdeutlichen, dass es eine andere Form der "Ernährung" gibt, die nicht vernachlässigt werden sollte.

Wie leben wir? Wovon ernähren wir uns? Die Zeit unseres Lebens, wie füllen wir sie? Wir können sehen, dass wir die meiste Zeit mit "nichts" beschäftigt sind. Wir laufen herum... Der tiefe Sinn des Fastens ist also, uns zu sagen, dass es einen inneren Raum gibt, der gefüllt werden muss. Und um Raum zu schaffen, müssen Dinge ausgeräumt werden, sonst sind wir überfüllt!

Heute geht es beim Fasten eher um alles, was uns zu einer Konsumgesellschaft macht. Man konsumieren von Allem, man macht das Radio an, den Fernseher, es gibt alle möglichen Moden... man läuft ihnen hinterher! Irgendwann sagen wir dann: "Letztlich bin ich gelaufen, ich habe mich bemüht, warum?" Und letztlich: Was lässt mich leben? Oder noch besser, wer lässt mich leben, wenn ich nicht alleine lebe? Der Mensch kann nicht leben, ohne in einer Beziehung zu sein. Wer lässt mich heute leben? Bin ich nur ein Konsument oder gibt es jemanden, von dem ich empfange und der mir seine Freude schenkt, die Freude, die man entdeckt, wenn man teilt? Aus diesem Grund konnten wir Fasten und Teilen nie voneinander trennen. Es geht nicht darum, Leere entstehen zu lassen, Leere ist nutzlos. Es geht darum, einen Raum zu schaffen, in dem der andere willkommen ist, dass der andere leben kann.

Es ist also eher eine Frage der inneren Einstellung: einen Raum in mir zu schaffen. Es geht darum, zu fasten von all diesen inneren Besetzern, die zu zahlreich sind, und den Raum zu suchen, in dem ich atmen kann. Wo ist der Ort der Quelle? Wer lässt mich leben und lasse ich jemanden in mir leben? Dieser innere Raum ist nicht einfach ein Raum, in dem man sein Leben in Ordnung bringt, sondern es ist ein Raum, den man zuerst dadurch schafft, dass man den Einen willkommen heißt, der uns sehen lässt, der uns führt, der uns durch sein Leben spüren lässt, wohin wir gehen. Erst das Bewusstsein von Christus öffnet schließlich unsere Räume. Sonst wird es zur Askese. Askese an sich ist nutzlos, außer dass man ein bisschen wie in Essig eingelegte Gurken wird! Wahre Askese ist leben und leben lassen, sie ist empfangen und geben. Dies kann nur geschehen, wenn man jemanden im Herzen hat.

Das ist es, wozu uns die Kirche in dieser Zeit einlädt, nämlich den inneren Raum frei zu räumen, um Christus aufzunehmen, die Augen für unsere Brüder und Schwestern zu öffnen und sie durch das Teilen leben zu lassen.

Roger Robert
25. Februar 2009

 

Text ins Deutsche übersetzt von Michèle, Bernd Becker und Gabriele Socher-Schulz

"Choisis la vie", CD Tissage d'or 5 (Communauté de la Roche d'or)