"Sich angesichts der Gewalt dafür entscheiden, sich der Gnade anzubieten..."

Veröffentlicht auf von P. Olivier Sournia

Liebe Freunde!

Als sich der Horizont nach zwei langen Jahren der Pandemiekrise zu klären schien, erfuhren wir vor einer Woche von der Invasion der Ukraine durch russische Truppen. Wir waren fassungslos, als uns bewusst wurde, dass vor den Toren Europas eine Kriegserklärung stattgefunden hatte. Seitdem scheint die Eskalation der Gewalt das Schlüsselwort und die atomare Bedrohung eine erschreckende Realität zu sein. Wir sehen gebannt und schmerzlich den Massenexodus von Frauen und Kindern, die ihre Ehemänner, Väter, Brüder und Söhne an den Front- und Widerstandslinien zurücklassen, mit der Angst im Herzen. Unsere Regierenden in ganz Europa und der Welt versuchen, die Kämpfe zu beenden und die verletzte Souveränität einer Nation zu verteidigen, während sie zwischen der Ablehnung eines bewaffneten Gegenschlags und den Zwängen des Rechts und der internationalen Verträge gefangen sind. Ja, es ist ein Drama, das sich vor unserer Haustür abspielt und dessen Folgen bereits beginnen, schrecklich zu sein.

Zu Beginn der Fastenzeit dringt dieser Krieg unaufhaltsam in unsere Felder des Bewusstseins und der Präsenz in der Welt sowie in unser Gebet ein. Der Papst bittet uns, diesen Aschermittwoch dem Gebet und dem Fasten für das ukrainische Volk zu widmen. Dies scheint angesichts einer so spektakulären Gewalt so lächerlich zu sein. Und doch... Niemand kann die Tragweite des Gebets ermessen, dieser entschlossenen Entscheidung, sich der Gnade anzubieten, indem man "die unzählige Menge der Menschen" in sich aufnimmt. Wir können nicht daran zweifeln, dass eine ganze unsichtbare Realität der Gnade in den Herzen der Menschen arbeitet, um den Wunsch nach Frieden und Gemeinschaft zu wecken. Gott arbeitet, Maria arbeitet... weil Gott unter allem leidet und Maria unter allem leidet…

Das ist der Sinn des wunderbaren Textes von Florin, den wir für diesen Beginn der Fastenzeit vorschlagen, der unseren Blick nähren und uns eine klare Vision von Gott im Herzen dieser Ereignisse vermitteln kann. Florin lässt uns auf ergreifende Weise spüren, wie sehr Gott unser Leid teilt und spürt, uns inspiriert und unsere Hilfe braucht: "Gott schafft es nur, indem er sich selbst einbringt und seine Vitalität mitteilt. Deshalb erfährt er das Leid aller seiner Geschöpfe, aller auf einmal... Wer ist also Gott? Gott geht mit und deshalb ist der erste Interessent bei der Verklärung der Welt Gott... Er kann nicht akzeptieren, dass die Menschen denken, dass die Leiden der Welt ihn nicht treffen. Gott leidet unter allem".

Mit diesen starken Worten Florins wünsche ich Ihnen eine Fastenzeit voller Inbrunst, erneuertem Glauben und neuer Hoffnung. Einen guten Weg auf Ostern zu.

Olivier Sournia

Text ins Deutsche übersetzt von Michèle, Bernd Becker und Gabriele Socher-Schulz
 

Wir müssen zugeben, dass Gott leidet!
Er ist nicht der Allmächtige oder der Selige, für den wir ihn halten!

Florin hält diese Predigt in der Karwoche 1995, als der Krieg in Bosnien und Herzegowina bereits seit drei Jahren tobt. In Algerien herrscht Bürgerkrieg (auch "schwarzes Jahrzehnt" genannt, das erst im Jahr 2000 enden wird). In Ruanda ereignete sich das Drama des Völkermords ein Jahr zuvor, an Ostern 1994...

Viele stellen sich die dramatische Frage: "Wenn es Gott gibt, wie kommt dann das Böse in der Welt zustande?" [Lesen Sie mehr...]