Haltet die Flamme der Sehnsucht am Leben!

Veröffentlicht auf von P. Florin Callerand

Haben Sie verstanden, was die übliche Formel bedeutet: "der Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit“, der Gott, der immer nach vorne geht und der nie zufrieden ist mit einem der vergangenen Jahrhunderte, der Gott, der immer etwas Neues will? Ja, wir sind am Ende des 20. Jahrhunderts (Florin spricht 1996) und es scheint, dass man sich auf das 3. Jahrtausend schon jetzt vorbereitet. Der Gott des 21. Jahrhunderts ist der Gott, der vor uns ist und vorwärts treibt. Er möchte, dass sich das ändert. "Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit halte uns wach für den gesegneten Tag des Kommens deines Sohnes", heißt es im Tagesgebet. Jetzt gehen wir vorwärts, und es scheint, dass niemand vor uns ist, um uns mitzunehmen, aber ab Ende der Welt wird Christus überall erscheinen und sagen, wie Therese vom Kinde Jesu unterstreicht: "Komm, komm mit mir, immer weiter, immer mehr, immer besser".

Aber es gibt noch ein anderes Ende der Welt, und es ist nicht notwendig, zu warten. Dieses Ende der Welt ist bereits jetzt in dieser Liturgie enthalten. Jede Gnade, die im Geheimnis der Phantasie, des Gedächtnisses, des tiefen Intellekts, des Entscheidungswillens ankommt, ist ein Ende der Welt. Wir müssen die Gnaden, die Lichter, die Eingebungen Gottes ehren, als wäre es die Endgültigkeit der Geschichte. Jede der Gnaden, die wir erhalten, ist zur selben Zeit eine Vervollständigung als auch ein Aufbruch zu etwas Neuem.

Schauen Sie, wie Maria am Tag der Verkündigung von dem Ereignis erschüttert wurde, das ihr widerfahren war. Sie hat es empfangen. Sie stellte klar, worum es dabei ging. Sie stellte die notwendigen Fragen, und als sie volle Klarheit und Vertrauen in Bezug auf das hatte, was von ihr verlangt wurde, gab sie sich selbst hin und ist voran gegangen. Für Maria war es ein erstes Ende der Welt. Sie wird von Ende der Welt zur Ende der Welt gehen, und ich sage das "im Plural". Kanaa, für Maria ist es ein neues Ende der Welt. Die Heilung des Gelähmten von Bethesda im Kapitel 5 des Johannesevangeliums ist ein neues Ende der Welt. Die Geschichte von Martha und Maria in Bethanien ist ein neues Ende der Welt. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn und dem wunderbaren Vater ist ein neues Ende der Welt und für die Jünger, die zuhören, und für die Schriftgelehrten und Pharisäer, die befragt werden.

Alle Gnaden sind etwas, das überrascht, das die Vergangenheit in Frage stellt, das sich der Zukunft öffnet und uns auffordert, mit Gott zu gehen. Gott ist derjenige, der, immer wandelnd, einlädt. Als ob er die Menschen auf der rechten und die Menschen auf der linken Seite an die Hand nähme, um ihnen zu sagen: "Kommt ihr mit mir?“ Das ist es, was das Ende der Welt ist, und auf diese Weise wird die Vergangenheit immer wieder überwunden. "Bleibt wach", sagte der heilige Markus. "Seid wachsam! Lasst eure Lampen brennen", denn Gott wird Euch nie in Ruhe lassen. Und wenn Sie in Ihrem Leben ruhig sind, dann deshalb, weil Sie nicht in den Sitten Gottes sind. Gott ist immer in Bewegung. Er macht immer etwas Neues. Er ist nie zufrieden.

Nehmen wir einfach eine kleine Passage aus dem Ende des Buches von Teilhard de Chardin mit dem Titel "Das göttliche Milieu" (S.181 Taschenausgabe)

ehen hat das Warten nie aufgehört, wie eine Fackel den Fortschritt unseres Glaubens zu leiten. Die Israeliten waren immerwährende "Anwärter"; -und so waren auch die ersten Christen." Und dies ist einer der Gründe, warum in der Frühen Kirche die Vigil, die der Sonntagsliturgie vorausging, eine Vigil der Erwartung war.

"Denn Weihnachten, wie es scheint, hätte unseren Blick umkehren und ihn auf die Vergangenheit konzentrieren sollen, hat ihn noch weiter nach vorne verschoben".  Es kommt ein anderes Weihnachten, aber es liegt vor uns und es ist das Ende der Welt, und es ist in dem Sinne, den ich vorhin unterstrichen habe, das unerwartete, überraschende Kommen aller Gnade und Erleuchtung, die uns erneuern.

„Ein Moment erschien unter uns", fährt Teilhard fort, "der Messias ließ sich nur sehen und berühren, um sich wieder einmal, leuchtender und unaussprechlicher, in den Tiefen der Zukunft zu verlieren. Er ist gekommen. Aber jetzt müssen wir immer aufs Neue auf ihn warten - nicht mehr nur auf eine kleine Gruppe Auserwählter (Maria und Josef), sondern auf alle Menschen - mehr denn je. Der Herr Jesus wird nur dann schnell kommen, wenn wir intensiv auf ihn warten". Es ist die Absicht der Sehnsucht, die das Kommende beschleunigt. Wenn Maria nicht ein Herz aus Feuer gehabt hätte, wäre der Sohn Gottes nie in ihr Fleisch geworden, denn Gott kann in keiner Weise mit Gewalt den Zugang zur Menschheit erzwingen. Und aus diesem Grund wird es nie eine echte Endgültigkeit der Geschichte geben, wenn die Kirche nicht auf eine wirkliche Endgültigkeit der Geschichte ausgerichtet ist. Sie wird sich immer mehr in die Länge ziehen, und das 21. Jahrhundert wird wieder einmal schlimmer sein als das 20. "Es ist eine Anhäufung von Sehnsüchten, die die Parusie (das Kommen Christi) zur Explosion bringen muss", d.h. die endgültige Erscheinung des auferstandenen Christus.

Und hier der letzte Satz: "Ihr Christen, die ihr nach Israel beauftragt wurdet, die Flamme der Sehnsucht auf Erden am Leben zu erhalten, nur zwanzig Jahrhunderte nach der Himmelfahrt, was haben wir mit dem Warten gemacht? "Amen!

Florin Callerand
1. Adventssonntag
1. Dezember 1996

 

Text ins Deutsche übersetzt von Michèle, Bernd Becker und Gabriele Socher-Schulz

"Voici notre Sauveur qui vient", CD Tissage d'or 4 (Communauté de la Roche d'or)

Veröffentlicht in Texte von Florin, singen, Adventszeit

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