Selig sind die Augen, die sehen können

Veröffentlicht auf von P. Florin Callerand

"Der Pantheismus - alles ist Gott - verführt uns mit seinen Aussichten auf eine perfekte und universelle Vereinigung. Aber im Grunde würde er uns, wenn er wahr wäre, nur Verschmelzung und Unbewusstheit geben, da am Ende der Evolution, die er zu entdecken glaubt, die Elemente der Welt in dem Gott, die sie erschaffen oder der sie in sich aufnimmt, verschwinden... " *

Ein bisschen wie der Regen vom Himmel, der auf den Ozean fällt. Versuchen Sie einmal, die Regentropfen zu finden, nachdem sie in den Ozean gefallen sind! Sie sind zum Ozean geworden. So wird der Pantheismus Ihnen ein Gefühl der Auslöschung, des Verschlingens im "Alles" anbieten, Sie sind von diesem "Alles". Man kann nicht sagen, dass ein Wassertropfen ein Teil des Ozeans ist, er ist darin eingebettet, der Ozean überflutet ihn, das ist alles.Aber nein, im Gegenteil, und gemäß einem von TEILHARD de CHARDIN sehr geschätzten Prinzip, der differenzierten Vereinigung mit Gott: Je mehr man wirklich mit Gott vereint ist, desto mehr wird man typisiert, desto mehr wird man charakterisiert und nicht verwechselt:

"Unser Gott, ganz im Gegenteil, treibt die Differenzierung der Geschöpfe, die er in sich konzentriert, bis zum Äußersten. Auf dem Höhepunkt ihrer Anhänglichkeit finden die Auserwählten in ihm den Vollzug ihrer individuellen Vollendung. Nur das Christentum rettet folglich mit den Rechten des Denkens das wesentliche Streben jeder Mystik: sich zu vereinen (d.h. der Andere zu werden), indem man sich selbst bleibt." *

Es kann fusionierte Paare geben, in denen jeder dem anderen wie verschmolzen ist. Bei Gott ist das nicht möglich. Die differenzierte Vereinigung... Je mehr man sich ihm hingibt, desto mehr lagert er einen in sich selbst ein, und deshalb ist der Dialog möglich. Mit Gott, je mehr man sich vereinigt, desto unterschiedlicher wird man, desto mehr wächst man, und das ist eine Freude für Gott, und das ist eine Freude für Sie.

"Für seinen sensibilisierten Blick ist es wahr, dass der Schöpfer und noch genauer der Erlöser in die Dinge eingetaucht sind und sich in ihnen ausgedehnt haben, so dass, wie es die heilige Angela von Foligno ausdrückte, "die Welt voll von Gott ist"....
... Die immense Verzauberung des Göttlichen Milieus verdankt letztlich ihren ganzen konkreten Wert dem menschlich-göttlichen Kontakt, der sich in der Epiphanie Jesu offenbart hat ...". *

Dieser unermessliche Gott, dieser All-Gott, dieser Gott-Schöpfer, dieser verborgene Gott ist in der Zeit der Geschichte erschienen, und es war Jesus von Nazareth. In den 33 Jahren seines Lebens erschien Gott, und es ist dieser bestimmte Gott, der im Herzen des Universums auferstanden ist, Sie trifft und Sie zusammenbringt. Und es ist Er, mit dem Sie es zu tun haben.

"Ohne die historische Realität Christi wird die göttliche Allgegenwart, die uns berauscht, allen anderen Träumen der Metaphysik ähnlich: unsicher, vage, konventionell, - ohne entscheidende experimentelle Kontrolle, um sich unserem Geist aufzudrängen... Von daher werden, so blendend die Zuwächse auch sein mögen, die wir gleich versuchen werden, im göttlichen Auferstandenen zu erkennen, ihr Zauber und ihr Stoff der Wirklichkeit immer an der greifbaren und kontrollierbaren Wahrheit des Evangelien- Ereignisses hängen bleiben...“ *

Sehen Sie, wie man mit TEILHARD de CHARDIN in der Erkenntnis Gottes voranschreitet, der Bezugspunkt dieses verborgenen Gottes, dieses geheimen Gottes, sind die Seiten des Evangeliums. Aber hier kann man sagen, dass es nur sehr wenige Christen gibt, die es wagen, in diesen Blumen, wie sie hier auf dem Schreibtisch stehen, etwas vom auferstandenen Christus zu betrachten. Sehr wenige Christen, die es wagen, in diesen Blumen etwas von der Jungfrau Maria zu betrachten. Von einem allgegenwärtigen Gott zu sprechen, kann sogar eine Falle sein, sagt TEILHARD de CHARDIN sinngemäß, weil dann das Wissen, das Sie von diesem Gott haben, so vage ist. Aber wenn Sie sich auf das Evangelium beziehen, ist derjenige, der im Geheimen vor der Welt verborgen ist, derjenige, der während der 33 Jahre erschienen ist und den die Kirche Ihnen in den Evangelien vorstellt. Wagen Sie dieses Schwingen, dieses Kippen: Gott, auferstandener Christus, historischer Christus, und Sie werden beginnen, diese mystische Vision zu sehen.

Der Rationalismus widersetzt sich dem. Mir wurde auf diesen Exerzitien die Frage gestellt: Ihre Beziehung zum auferstandenen Christus, wie sehen Sie Ihn? Und wie ist unsere Situation im Vergleich zu den Jüngern Jesu? Die Jünger Jesu haben drei Jahre lang mit Jesus unter vier Augen gelebt, mit Ihm verkehrt, Ihn gehört, gesehen ... Und dann, dann, verschwunden! Und in der Auferstehung, wo fanden sie Ihn wieder? In ihren Herzen, in Form der Eingebungen des Heiligen Geistes, die Er ihnen gab. Ja, aber mit Paulus werden wir fortschreiten und in den Briefen aus der Gefangenschaft, an die Epheser und Kolosser sehen, dass Paulus überall in Christus badet.
 


Wagen Sie es, in die Sterne zu schauen und das Lächeln des historischen Jesus zu sehen; wagen Sie es, in die Sonne zu schauen und den Glanz des historischen Jesus zu sehen; wagen Sie es, in eine Quelle zu schauen, in ihr Rauschen, ihre durststillende Zartheit und wagen Sie es, eine Projektion darauf zu sehen ... Er ist gegenwärtig, der Christus der Geschichte, der in allen Elementen der Schöpfung verklärt ist. Das verändert natürlich die Natur Ihrer Landschaften, Ihrer Weizenfelder, Ihres Pflügens, Ihrer Gartenarbeit, Ihrer Küche und aller anderen Dinge. Alles in Christus zu tun, und natürlich, weil Er unermesslich geworden ist, und in seiner Unermesslichkeit hat Er alle Einzelheiten seiner irdischen Existenz mitgenommen.

"... ihr Zauber und ihr Stoff der Wirklichkeit werden immer an der greifbaren und kontrollierbaren Wahrheit des Evangelium-Ereignisses hängen bleiben... Der mystische Christus, der universale Christus, des Heiligen Paulus kann in unseren Augen nur als eine Erweiterung des von Maria geborenen und am Kreuz gestorbenen Christus Bedeutung und Preis haben. Von diesem bezieht jener wesentlich seine grundlegende Eigenschaft, unbestreitbar konkret zu sein " *

...Dieser ... jener ... der mystische Christus, der kosmische Christus zieht seine Realität aus dem historischen Christus, und wir haben Christus von gestern, heute ... in allen Dingen. Man muss nicht in eine Kapelle gehen oder gar vor das Allerheiligste Sakrament treten, aber die Materie in all ihren Entwicklungsformen ist voll von Gott, voll vom historischen Christus-Gott, der Seinen Leib verklärt hat und Ihm eine totale, alles durchdringende und umhüllende Ausdehnung mit den Geschöpfen verliehen hat. Die Welt ist christifiziert und sie wird es immer mehr. Selig sind die Augen, die sehen können!

Jesus hatte zu seinen Jüngern gesagt: "Es ist gut für euch, dass ich weggehe...". Paulus wird nicht zögern zu sagen: "Christus nach dem Fleisch, jetzt kenne ich Ihn nicht mehr so, denn als Er im Fleisch war, war Er in dieser Form und an diesem Ort lokalisiert, aber jetzt ist Er der totale Christus, Christus in die Welt ausgegossen ...". Die Welt ist von innen her mit dem allumfassenden Christus bekleidet.

"Soweit man sich in die göttlichen Räume, die der christlichen Mystik offenstehen, hineinziehen lässt, wird der Jesus des Evangeliums uns nicht mehr verlassen. Man verspürt im Gegenteil ein wachsendes Bedürfnis, sich immer fester in seine menschliche Wahrheit zu hüllen." *

Diese Sprache mag etwas schwierig sein, aber man muss sie einmal hören, um sich an sie gewöhnen zu können. Es scheint, dass wir der Gegenwart Jesu so sehr beraubt sind, dass wir glauben, ihn erst nach dem Tod im Himmel oder nur im Sakrament der Eucharistie zu finden, obwohl alle Geschöpfe wie Sakramente des Christus des Evangeliums sind.

Mit dem Evangelium in der Hand sollten Sie also eine Bergbesteigung, einen Waldspaziergang, eine Reise auf dem Meer machen und die Geschöpfe befragen. Alle würden Ihnen antworten: "Es ist Jesus, der hier spricht, ich bin mit dir! Ich winke dir zu. Diese Fluten, diese Wellen des Ozeans, diese Fische, die zu dir springen, diese Delphine, diese Buchten des Uferreliefs ...". Wie soll es etwas geben, das nicht in der Tiefe von der Gegenwart des auferstandenen Christus durchdrungen ist, da Er der Schöpfergott ist, der mit dieser fleischlichen Erscheinung, die er von Maria erhielt, in der Zeit erschienen ist und in die Tiefe des Schöpfungsaktes, der von Gott bevölkerten Welt, zurückgekehrt ist. Gott ist seit seiner Menschwerdung Mensch, er ist der universelle Mensch, der er ist, dieser Gott, der so im Herzen aller Geschöpfe gegenwärtig ist.

 

Man glaubt, dass man Christus nur in einer Kathedrale, in einer Kirche findet. Man findet Ihn in der Kathedrale der Bäume, in den Wäldern, in der Kathedrale der Berge, man findet Ihn überall. Hier und dort leidet Er, weint Er, leidet Er unter Schmerzen. Man sieht Ihn, wie Er verletzt ist: "Was ihr dem Geringsten der Meinen tut, das tut ihr mir". Aber sich von der universellen Gegenwart des historischen Christus zu überzeugen, ist etwas, das fast nie gesagt wird, und es ist sicherlich die Sache der tiefsten Mystik von TEILHARD de CHARDIN: Christus überall begegnen... Maria überall begegnen. Aber es ist offensichtlich, dass Sie Ihre Art haben, und dennoch sind Sie voll davon. Und wenn wir in unser Innerstes hinabsteigen, werden wir mit Paulus sagen: "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir!". Das bedeutet nicht, dass Paulus ausgelöscht, ausradiert wird, sondern das bedeutet, dass Paulus sich bewusst wird, dass sein Christus bei ihm ist.

Oh, die glückliche Situation für den Christenmenschen, wenn er endlich in sich selbst hinabsteigt und die Tiefe aller anderen Geschöpfe sieht und sagen kann: "Hallo, Herr Jesus! Guten Tag, Jungfrau Maria!" Was tun wir gemeinsam? Wir sind keine Waisenkinder, die in der Welt abgeworfen wurden, wobei Gott im fernen Himmel ist: Er wohnt auf der Erde, Christus setzt seine Inkarnation im Herzen aller Geschöpfe durch die Ausdehnung seines geheimnisvollen Aufstiegs in alle Dinge fort. Wir aber sind in räumlichen Dimensionen gefangen und glauben, dass Jesus durch eine Art Saugphänomen in den Himmel aufgestiegen ist, das Ihn bis auf die andere Seite der Wolken gehoben hat. Nein, nicht ...! Die Himmelfahrt ist ein Verschwinden des Christus von Ort und Stelle in die Herzen aller Geschöpfe. Es liegt an uns, dies durch den Blick des Glaubens zu entdecken.

Das mystische Leben ist ein Phänomen des Sehens des schaffenden Gottes, des rettenden Christus, des assistierenden Heiligen Geistes, in sich selbst, in anderen, in allen Geschöpfen. Es gibt kein Wesen, das nicht zu uns von Gott sprechen kann, das ihn uns nicht durch Ansteckung geben kann! Er verschmilzt nicht mit irgendeinem Geschöpf, sondern Er bevölkert sie! Er entzündet sie mit Seiner eigenen Energie und teilt sie uns mit. Und so sind wir bereits in der Lage, mit Gott zu sprechen, mit Christus zu sprechen. 2000 Jahre Abstand zwischen Ihm und uns? Nein, das ist es nicht. Die Unmittelbarkeit Seiner Gegenwart. Auf diese Weise entgeht man dem Pantheismus, der einen in die Ununterscheidbarkeit zieht. Während hier die Seele der Welt ist, der Sohn Gottes, Sohn Marias, wie Teilhard de Chardin an anderer Stelle sagen wird.

 

Florin CALLERAND
26. März 1992

* "Das göttliche Milieu" von Pierre Teilhard de Chardin

 

Text ins Deutsche übersetzt von Michèle, Bernd Becker und Gabriele Socher-Schulz

"Comme un arbre", CD Tissage d'or 5 (Communauté de la Roche d'or)