"Oh, komm!"

Veröffentlicht auf von P. Florin Callerand

An diesem 4. Adventssonntag wird die Fortsetzung des am letzten Sonntag begonnenen Textes von Florin Callerand über "Die Seligpreisung des Hungers und des Durstes nach Gerechtigkeit" eine Nahrung des Lebens und der Freude für unserem Weg auf Weihnachten sein. Woher sollen wir die Kraft nehmen, vorwärts zu gehen, wenn nicht dadurch, dass wir uns in den Elan Marias hineinversetzen, bewegt vom Atem des Heiligen Geistes?
 

"Oh, komm!"

Man könnte das Evangelium nicht schließen, ohne diese beiden Szenen zu betrachten, die es einrahmen: Am Anfang die Verkündigung - die Heimsuchung - und am Ende, auf dem Kalvarienberg, der Schrei "Mich dürstet!"

Der Elan der Jungfrau Maria in ihrer in Möglichkeitsform geäußerten Antwort auf die Bitte ihres Gottes verrät, wie hungrig und durstig sie dann ist: "Oh, mir geschehe nach deinem Wort!" (Lukas 1,38)

Teilhard de Chardin hat in seinem Essay über "Das Ewig-Weibliche" deutlich gespürt, dass die Inkarnation des Sohnes in die menschliche Natur nur möglich war, weil Maria ihren Gott mit einer feurigen, unwiderstehlichen Leidenschaft anrief, einem "Oh! Komm!", das stärker war als die fünf Lieder des Hohenliedes zusammen!

"Gott, sagt das universelle und ewige Weibliche,
Maria, ich habe sie zu mir angezogen, lange vor euch...
Lange bevor der Mensch das Ausmaß meiner Macht ermessen hatte,
und vergöttlichte den Sinn meiner Anziehungskraft,
hatte der Herr mich bereits vollständig empfangen
 in seiner Weisheit, und ich hatte sein Herz gewonnen.
Glauben Sie, dass er ohne meine Reinheit, um ihn zu verführen,
niemals heruntergekommen wäre, als Fleisch, inmitten seiner Schöpfung?
Die Liebe allein ist in der Lage, das Sein zu bewegen."

Schriften aus der Kriegszeit, 1916-1919,
"Das Ewig-Weibliche", Pierre Teilhard de Chardin.

Die Szene der Heimsuchung zeigt von Anfang an, dass Maria von "Hunger und Durst nach Gerechtigkeit" beseelt ist. Wie konnte sie, nachdem sie die Erfüllung ihres inbrünstigen Gebetes erhalten hatte, die Frucht davon für sich behalten, zumal ihr Gebet den universellen, wenn auch noch verwirrten Wunsch der ganzen Menschheit formuliert! Das Lukasevangelium berichtet uns mit einer Formulierung, die gewählt wurde, um die entscheidenden Ereignisse zu charakterisieren: "In diesen Tagen machte sich Maria eilends auf" (mit Eifer, Begeisterung) (Lk 1,39). Es scheint ein großer Unterschied zwischen Maria und vielen der Jünger und Apostel zu bestehen. Sie müssen von Gott eine Sendung, eine Mission erhalten... "Ich setze dich als Verkünder der Vision ein, in der ich mich dir gezeigt habe." (Apg 22,15) "Geht und lehrt alle Völker." (Mt 28,19) Hier trifft Maria allein die Entscheidung. Es ist nicht notwendig, sie zu schicken. Sie geht in großer Eile! "Eile" sagt sogar der Text. Initiative, die von Herzen kommt. "Wenn man liebt, fühlt man nicht die Schwere der Aufgabe", schreibt der heilige Augustinus.

Maria geht zweifellos auch Risiken ein. Man kann davon ausgehen, dass es mit Joseph Probleme geben wird. Wie wird er ihren Weggang akzeptieren? In welcher Begleitung? Für wie lange? Auf der anderen Seite ist da die Erklärung mit ihm über das, was in der Verkündigung passiert ist... (Matthäus 1,19ff)

Marias Begeisterung will die Botschaft, die Gnade, die empfangene Gegenwart weitergeben... Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, nach Sendung. Denn es ist nur gerecht, dass auch andere von dem Ereignis profitieren!

Egal wie kostspielig es für sie sein mag, Maria zögert nicht. Es ist dringend! "Gott ist geduldig ungeduldig", sagte ein Kardinal, gerade als die Bremsen beim Konzil zu quietschen begannen! Der Text des Lukas spricht zweimal davon, dass Johannes der Täufer im Mutterleib hüpfte. Elisabeth erhält keine Eingebung vom Geist, sie ist davon erfüllt. Sie ruft aus! Maria ist nicht mit schleppenden Füßen angekommen! Was ihre Begrüßung betrifft, so ist sie es, die das ganze physische und spirituelle Durcheinander auslöst: Hier ist die Mutter des Herrn, und der Herr ist mit ihr, er wählt den Wohnsitz in ihrem Haus, weit weg vom heiligen Tempel! Das hat es noch nie gegeben!

Was Maria betrifft, so lässt sie ihren Atem in einem langen prophetischen Frohlocken gehen, der die ganze Heilsgeschichte auf einmal überfliegt (Lk 1,46-56). Eine fröhliches Magnifikat, das aus Psalmenteilen besteht, so viel, wie Worte geben. Es jubelt in einem fort, als könne man nicht mehr zu Atem kommen, so unermesslich ist die Seligkeit der seligen Frau, sicher auf einer Stufe mit der ihres Gottes, den sie schon in sich trägt, "der Gott des Hungers und Durstes nach Gerechtigkeit". Wir können erahnen, wie das diskrete und dörfliche Leben dieser drei Leidenschaftlichen von Gott ausgesehen haben muss, die einen Namen haben: Jesus, Maria und Josef!

Es kann uns daher nicht überraschen, mit welchem Nachdruck der heilige Johannes schließt, der, bevor er uns das "Tetelestai", das "Alles ist vollbracht" Jesu
(Joh 19,30), hören lässt, mit einem Wort die Offenbarung des Geheimnisses Gottes präsentiert: Der Durst!

Keine Philosophie, keine Theologie hatte es je gewagt, Gott als einen "Bettler der Liebe" darzustellen. Niemals hatten sie es gewagt zu sagen, dass das Motiv für die Schöpfung im Ruf der von Gott vorherbestimmten Geschöpfe lag, seine Liebe zu teilen, noch hatten sie es gewagt zu sagen, dass die ganze Geschichte des Universums eine gemeinsame Begleitung auf einer Reise in die Unendlichkeit sein sollte, in einem Abenteuer der Entdeckung und des Fortschritts, das Himmel und Erde miteinander teilen, ohne sie jemals trennen zu können!

"Damit die ganze Schrift erfüllt wird", sagt der heilige Johannes, "rief Jesus: 'Mich dürstet !“ Weit über die erste und richtige Bedeutung hinaus, die den physischen Durst eines Sterbenden betrifft, hebt diese Überlegung des Apostels den Schleier, oder zerreißt ihn, um zu enthüllen, was er neben Maria gerade entdeckt hat: "Gott ist Liebe"! Und er ist sich sicher, dass er alles über Jesus gesagt hat und damit wirklich, wie er angekündigt hatte, "er alles zu sich ziehen wird!" (vgl. Johannes 12,32)

Es ist in der Tat im glühenden Feuer dieser vierten Seligpreisung, dass sich das irdische Epos des Gottessohnes von Anfang bis Ende abspielte, immer begleitet vom Hunger und Durst nach heiliger Gerechtigkeit in der Person Marias, seiner Mutter! Es ist auch die Seligpreisung der Jünger-Apostel mit Feuer im Herzen.

Florin Callerand, 19. Januar 1991
« Un pauvre appelle, Dieu répond » © 2006,
Auszüge S.204 bis 209

 

Text ins Deutsche übersetzt von Michèle, Bernd Becker und Gabriele Socher-Schulz

"Viens Seigneur et change nos cœurs", CD Tissage d'or 4 (Communauté de la Roche d'or)

Veröffentlicht in Texte von Florin, singen, Adventszeit

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